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online seit 10.04.2025

Günstige PV-Komponenten aus Insolvenzmasse abzugeben? Vorsicht, Betrug!

Eine Anwaltskanzlei hat sich bei Ihnen gemeldet und bietet günstige Photovoltaik-Komponenten aus einem Insolvenzverkauf? Sie sollen rasch antworten, weil die Nachfrage hoch ist? Dann versuchen grade Betrüger:innen, an Ihr Geld zu kommen! Besonders gefährlich: Das insolvente Unternehmen und die Anwaltskanzlei existieren tatsächlich, die Kriminellen nutzen sie als Tarnung für ihre Masche.

Anbahnung: Die Betrüger:innen stellen sich vor

Kriminelle versenden E-Mails und geben sich als Vertreter:innen einer Anwaltskanzlei aus. Der Grund des Anschreibens: Die Kanzlei betreut angeblich ein Unternehmen im Rahmen eines Insolvenzverfahrens. Aktuell ginge es darum, Insolvenzmasse zu veräußern, um Einnahmen zu generieren. Vornehmlich richten sich die Betrüger:innen dabei an Firmen aus der Branche des insolventen Unternehmens.

Im konkreten Fall dreht sich alles um Komponenten, die für den Bau bzw. den Betrieb einer Solaranlage benötigt werden. Also zum Beispiel Paneele, Batteriespeicher oder Wechselrichter. Der Text des Anbahnungs-E-Mails im Wortlaut:

Sehr geehrte Damen und Herren,
im Auftrag unseres Mandanten, der „XXX GmbH“, möchten wir Sie darüber informieren, dass im Rahmen des laufenden Insolvenzverfahrens noch Insolvenzmasse im Zuge der Liquidation veräußert werden müssen. Diese Posten stehen zu einem vergünstigten Kaufpreis zur Verfügung. Um die genaue und aktuelle Stückzahl der einzelnen Positionen zu erfahren, bitten wir Sie, uns eine E-Mail mit den von Ihnen gewünschten Positionen zu senden.

Der Rest der Nachricht ist in einwandfreiem Deutsch verfasst, beinhaltet weitere Informationen rund um den “vollständigen Bestand” sowie die Bitte um eine rasche Antwort und schließt mit einer langen Liste an offiziellen Angaben zur Kanzlei (z. B. Postadresse, Telefonnummer, UID-Nummer, Creditreformnummer etc.). Auf den ersten Blick eine seriöse E-Mail einer seriösen Rechtsvertretung.

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Anmerkung: Der Redaktion ist der Name des Unternehmens bekannt. Allerdings hat die tatsächlich mit der Abwicklung der Insolvenz betraute Anwaltskanzlei darum gebeten, weder den Firmennamen noch jenen der Kanzlei im vorliegenden Artikel zu nennen. Diesem Wunsch werden wir natürlich entsprechen, am Inhalt ändert die Weglassung ohnehin nichts.

Zusätzlich haben die Betrüger:innen einen 26 Seiten starken Katalog gebastelt und als Anhang mitgeschickt. In diesem präsentieren sie die vermeintlich zum Verkauf stehenden Solaranlagenkomponenten. Auf der letzten Seite findet sich eine Erklärung der angeblichen Anwaltskanzlei zu Zahlungs- und Liefermodalitäten. Dort steht unter anderem geschrieben:

Die Zahlung erfolgt ausschließlich per Vorkasse auf das Treuhandkonto unserer Kanzlei und nicht direkt an den Mandanten. Diese Vorgehensweise ist notwendig, um den Mandaten vor möglichen weiteren finanziellen Schäden zu schützen, die durch eine nicht fristgerechte Zahlung entstehen könnten. Nur durch die Sicherstellung der Vorauszahlung können wir das Risiko einer möglichen Zahlungsunfähigkeit minimieren und die ordnungsgemäße Abwicklung der Transaktion gewährleisten.

Echte Firmen, echte Kanzleien: Das macht den Scam so gefährlich

Die Betrugsmasche ist hoch komplex und ausgeklügelt, in die Planung dürfte weit mehr Zeit investiert worden sein als bei einem ordinären Fake-Shop oder ähnlichem. Betrachten wir die Ausgangs- bzw. Informationslage im Detail:

  • Insolventes Unternehmen: Das im Anbahnungsschreiben angeführte Unternehmen existierte tatsächlich und befindet sich aktuell in einem Insolvenzverfahren. Wer den Firmennamen googelt, findet die entsprechende Bestätigung.

  • Anwaltskanzlei: Auch die angeblich mit der Abwicklung der Insolvenz beauftrage Kanzlei existiert – und betreut tatsächlich diesen spezifischen Kunden.

Kein Grund also zur Sorge? Auf den ersten Blick scheint es so. Über das angeführte Unternehmen wurde ein Insolvenzverfahren eröffnet, welches von der angegebenen Anwaltskanzlei betreut wird. Die entsprechenden Daten sind allesamt online abrufbar – wenn man denn weiß, wo man suchen muss. Und genau hier liegt das Problem bzw. genau hier setzen die Betrüger:innen an! Sie nutzen das Unternehmen, die Kanzlei und die Geschäftsverbindung zwischen beiden als Tarnung für ihre Machenschaften.

So ausgeklügelt ist die Betrugsfalle

Für Ihre Betrugsmasche benötigen die Kriminellen vier Dinge, zwei davon finden sie mittels Recherche, zwei müssen sie selbst herstellen. Die Recherche-Schritte im Überblick:

  • Die Betrüger:innen durchforsten die Liste aller aktuellen Insolvenzverfahren und suche jene, die für ihr Vorhaben am besten geeignet sind. 

  • Haben sie eines gefunden, ermitteln sie die mit der Abwicklung beauftrage Anwaltskanzlei. Im Idealfall verfügt diese über keine eigene Website, sondern hat sich lediglich eine Domain registrieren lassen, über die sie ihren E-Mail-Verkehr laufen lässt.

  • Sie haben also nun die Produkte, die sie verkaufen wollen und jene Rechtsvertretung, die sie als Tarnung nutzen möchten.

Jetzt beginnt Phase zwei. In dieser bauen die Betrüger:innen eine Fake-Website, die zur angeblichen Anwaltskanzlei gehört. Diese Seite dient als Beweis für die vermeintliche Legitimität der rechtlichen Vertretung und liefert die Domain, von der aus später die Anschreiben versendet werden können. Website-Adresse und E-Mail-Adresse stimmen somit auf den ersten Blick überein. Auch die im Impressum angegebenen Daten halten einer Überprüfung stand – weil sie von einer tatsächlich existierenden Kanzlei stammen und gestholen wurden.

Ist die Website fertig, basteln die Kriminellen einen mehrere Seiten umfassenden Katalog. Dieser ist gefüllt mit Komponenten aus der Solarbranche. Für die Erstellung und das Design nutzen sie das Logo des insolventen Unternehmens. Beißt ein Opfer an, muss es die gewünschten Bauteile im Voraus bezahlen. Sobald das erledigt ist, brechen die Betrüger:innen sofort jeglichen Kontakt ab und sind nicht mehr erreichbar, das Geld ist weg. Wir haben es hier also sowohl mit Vorschussbetrug als auch mit Identitätsdiebstahl zu tun.

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Die hier vorgestellte Variante aus dem Bereich Photovoltaik ist nur ein Beispiel für diese Betrugsmasche. Tatsächlich erreichen uns immer wieder Beschwerden zu ähnlichen Fällen. Grundsätzlich gilt also: Werden Sie aus heiterem Himmel bezüglich eines Insolvenzverkaufs kontaktiert, ist allerhöchste Vorsicht angebracht. Sie haben es sehr wahrscheinlich mit Kriminellen zu tun!

In die Online-Falle getappt: Das können Sie tun!

Wer den Betrüger:innen auf den Leim gegangen und in die (ausgeklügelte) Falle getappt ist, hat leider nur geringe Chancen, sein Geld wieder zurückzubekommen. Folgende Schritte können Sie setzen:

  • Kontaktieren Sie umgehend Ihre Bank! Die Betreuer:innen dort wissen am besten, ob die Zahlung eventuell noch gestoppt oder bereits überwiesene Beträge wieder zurückgeholt werden können.

  • Erstatten Sie Anzeige bei der Polizei! Für die Bearbeitung entsprechender Anliegen benötigen die Banken in der Regel die offizielle Bestätigung einer Straftat.

  • Bleiben Sie auf dem Laufenden! Wer über die neuesten Internetfallen Bescheid weiß, fällt weniger wahrscheinlich darauf rein.

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